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Eine Quantenpumpe ohne Kurbel

Jun 27, 2023Jun 27, 2023

22. August 2022

von der ETH Zürich

Kurz gesagt, Pumpen sind Geräte, die zyklische Bewegungen nutzen, um einen gleichmäßigen Transport einer Ladung zu erreichen. Bei einer Fahrradpumpe erzeugen die wiederholten Auf- und Abbewegungen eines Kolbens einen Luftstrom. Bei einer archimedischen Schraubenpumpe wird Wasser durch Drehen einer Kurbel zwischen Behältern gefördert. Verwandte Konzepte wurden auch in Quantensystemen untersucht, insbesondere für den Einzeltransport von Elektronen durch Festkörpermaterialien, wodurch ein quantisierter Strom erzeugt wird.

Nun fügt ein Team um Dr. Tobias Donner, leitender Wissenschaftler in der Gruppe von Prof. Tilman Esslinger am Institut für Quantenelektronik, der Geschichte eine überraschende Wendung. In Nature berichten sie über eine Quantenpumpe, die keinen periodischen Antrieb von außen erfordert – eine Pumpenwicklung ohne Kurbel.

Das Team um Esslinger und Donner arbeitet nicht mit Elektronen in Festkörpermaterialien, sondern mit Atomen, die in komplexen Strukturen eingeschlossen sind, die durch sich kreuzende Laserstrahlen entstehen. Solche synthetischen Kristalle haben den Vorteil, dass sowohl die Atome als auch das Kristallgitter mit äußerster Präzision und großer Flexibilität gesteuert werden können. Die Plattform kann dann genutzt werden, um entweder ein besseres Verständnis bekannter Effekte zu erlangen oder um Szenarien zu generieren, in denen sich Quantensysteme auf unvorhergesehene Weise verhalten, was im Idealfall auf neue Phänomene der Quantenphysik hinweist. Und genau das hat das Team mit der jetzt berichteten Arbeit erreicht.

Ein zentraler Bestandteil ihres Experiments ist ein optischer Hohlraum, in dem der synthetische Kristall gebildet wird. Der Hohlraum dient dazu, eine Kopplung zwischen den Atomen und den beteiligten Lichtfeldern zu vermitteln. Darüber hinaus bilden aus dem Hohlraum austretende Photonen einen Dissipationskanal, über den die Experimentatoren ebenfalls eine hervorragende Kontrolle haben. Ein solches System einschließlich Dissipation wird als offenes Quantensystem bezeichnet. Wichtig ist, dass die Dissipation bei geeigneter Kontrolle eher ein Vorteil als ein Ärgernis sein kann: Im Jahr 2019 fanden Mitglieder der Esslinger-Gruppe heraus, dass aus dem Hohlraum austretende Photonen verschiedene Konfigurationen eines synthetischen Kristalls koppeln können, was zu einer Dynamik führt, die zwischen diesen Konfigurationen oszilliert. Diese Arbeit wurde 2020 in Science veröffentlicht.

Die große Überraschung, die zu der jetzt veröffentlichten Arbeit führte, war die experimentelle Beobachtung, dass die in der synthetischen Kristallstruktur eingeschlossenen Atome begannen, sich zu bewegen. Durch mehrere Messungen und numerische Simulationen identifizierten die Forscher den Mechanismus hinter der Atombewegung: Der synthetische Kristall windete sich periodisch zwischen verschiedenen Strukturen, sodass sich der Massenschwerpunkt der Atome in jedem Zyklus um einen festen Betrag räumlich verschiebt – in faszinierende Analogie zur Aufwärtsbewegung der Chiralität in einer archimedischen Pumpe. Durch die sorgfältige Analyse des aus dem Hohlraum austretenden Lichtfelds gewannen die ETH-Physiker detaillierte Einblicke in den Mechanismus und charakterisierten das Zusammenspiel zwischen Hohlraumdissipation und quantisiertem Pumpen.

Das Einzigartige an diesen Experimenten im Vergleich zu früheren Erkenntnissen zu Quantenpumpen – und im Gegensatz zu unserer Vorstellung von einer Pumpe im Allgemeinen – ist, dass ein Teilchenstrom ohne externe periodische Ansteuerung beobachtet wird. Was den Strom antreibt, ist die Dissipation aus dem Hohlraum, was zu einem „selbstoszillierenden“ Pumpen führt. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass die Atomkonfigurationen, zwischen denen das System oszilliert, auf einer ganz grundlegenden Ebene unterschiedlich sind, indem sie unterschiedliche sogenannte Topologien besitzen. In der Praxis bedeutet dies, dass der demonstrierte Transportmechanismus stabil gegenüber äußeren Störungen und auch robust im Hinblick auf die detaillierte Form des Pumpprotokolls sein sollte.

Das sind spannende Erkenntnisse. Topologie und offene Quantensysteme sind beides hochaktive Bereiche der modernen Physik. Die Verbindung zwischen den beiden verspricht nicht nur ein Testfeld für die Quanten-Vielteilchentheorie, sondern auch ein praktisches Werkzeug zur Realisierung exotischer Zustände der Quantenmaterie zu sein.

Mehr Informationen: Davide Dreon et al., Selbstoszillierende Pumpe in einem topologischen dissipativen Atom-Hohlraum-System, Nature (2022). DOI: 10.1038/s41586-022-04970-0

Nishant Dogra et al., Dissipation-induzierte strukturelle Instabilität und chirale Dynamik in einem Quantengas, Science (2020). DOI: 10.1126/science.aaw4465

Zeitschrifteninformationen:Wissenschaft, Natur

Bereitgestellt von der ETH Zürich

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